Schaut man von der Anatomie her auf das Nervensystem, wird es sinnvollerweise unterteilt in ein zentrales Nervensystem (ZNS), das aus Gehirn und Rückenmark besteht und ein peripheres Nervensystem, das den gesamten Organismus bis in die entfernteste Zelle mit dieser Steuerzentrale verbindet.
Schaut man von der Funktion her auf das Nervensystem, sieht es ganz anders aus: dann unterteilt man es in ein sensomotorisches und ein vegetatives Nervensystem.
Sensomotorisch bedeutet, dass das Gehirn mit Informationen der Sinnesorgane versorgt wird und dass der Körper mit der Skelettmuskulatur auf diese Informationen reagiert. Zwar läuft dies zum großen Teil unbewusst ab, lässt sich aber im Prinzip auch bewusst steuern. So bewege ich meine Hände zum Beispiel meist unbewusst beim Reden, ich kann aber auch ganz bewusst eine Geste mit meinen Händen machen, um das Gesagte zu betonen. Dieser Teil des Nervensystems wird deshalb auch willkürlich genannt, ich kann direkt beeinflussen was meine Muskeln machen sollen.
Unter dem vegetativen Nervensystem versteht man jenen Teil des Nervensystems, der nicht direkt, wohl aber indirekt beeinflusst werden kann. Deshalb bezeichnet man es auch als autonom und unwillkürlich. Das vegetative Nervensystem steuert die Vitalfunktionen, d.h. Atmung, Herzschlag, Verdauung sowie die Aufrechterhaltung des Körpermilieus. So sorgt das vegetative Nervensystem zum Beispiel dafür, dass der pH-Wert des Blutes in einem gesunden Organismus immer zwischen 7,35 und 7,45 liegt. Ebenso wird die Körpertemperatur beim gesunden Menschen um die 37 Grad gehalten. Ein Anstieg über 42 Grad ist lebensbedrohlich. All das, ebenso wie der gesamte Stoffwechsel und das Hormonsystem werden vom vegetativen Nervensystem reguliert.
Wo befindet sich dieses vegetative Nervensystem?
Die zentrale Steuerung des vegetativen Nervensystems befindet sich oberhalb des Stammhirns im sogenannten Hypothalamus. In diesem Kerngebiet werden die vegetativen Informationen verarbeitet. Von ganz entscheidender Bedeutung ist, dass über den Hypothalamus auch kognitive Informationen wie bewusste bildliche Vorstellungen oder Entspannungsübungen sowie positive und negative Emotionen auf die vegetative Steuerung einwirken. Negativ führt z.B. Angst zu körperlich-vegetativen Reaktionen wie Schweißausbrüchen, Gesichtsblässe, Herzrasen und oberflächlicher schneller Atmung. Eine craniosacrale Behandlung oder eine über Sprache induzierte Entspannungsübung dagegen führt zu einem harmonischeren und langsameren Herzschlag, zur Beruhigung des Atems und zu einem Gefühl von Weite. Bewusstseinsprozesse und Emotionen werden also ununterbrochen mit der körperlichen Befindlichkeit abgeglichen.
Klassischerweise unterteilt man das vegetative Nervensystem in Sympathikus, Parasympathikus und das enterische Nervensystem des Verdauungstrakts, das relativ autonom die Verdauung steuert. Die sympathischen Nerven entspringen dem Rückenmark vor allem im Bereich der Brustwirbelsäule und der oberen Lendenwirbelsäule und verzweigen sich dann im ganzen Körper. Sie steuern die aktiven Reaktionen, setzen den Körper in erhöhte Leistungsbreitschaft, im Extremfall in einen Angriff- oder Flucht-Modus. Sie steigern die Herzleistung und die Durchblutung, erhöhen den Blutdruck, erweitern die Bronchien und gleichzeitig hemmen sie die Verdauungstätigkeit. Wenn man in Alarmbereitschaft ist hat man nun mal keine Zeit für Verdauung.
Der Parasympathikus, sein „Gegenspieler“ steuert alles was der Regeneration dient. Der Hauptnerv des parasympathischen Nervensystems ist der Nervus vagus, der im Hirnstamm entspringt und sich im Brust und Bauchbereich ausbreitet. Er senkt die Herzfrequenz, erzeugt ein inneres Gefühl von Ruhe, unterstützt das Immunsystem, sorgt für guten Schlaf und wirkt modulierend auf die Verdauung ein. Die Verdauung funktioniert auch ohne den Vagusnerv, da sie ja ein relativ eigenständiges Nervensystem hat, das in der Literatur gerne als „Bauchhirn“ bezeichnet wird, aber es funktioniert nicht optimal. Man kann sich das „Bauchhirn“ ohne Vagusbeteiligung ungefähr so vorstellen wie ein Fahrrad ohne Gangschaltung. Man kann fahren, aber wenn es steil bergauf geht kann man sich den schwierigeren Erfordernissen nicht anpassen. Der Vagusnerv ist für den Magen-Darm-Trakt so etwas wie eine Gangschaltung am Fahrrad, er sorgt für eine optimale Anpassung der Verdauung an die Erfordernisse. Ein weiterer wichtiger Aspekt des Vagusnervs ist, dass er das Gehirn permanent über den Zustand der Organe informiert und sich das wiederum auf die Emotionen auswirkt.
Die craniosacrale Therapie wirkt regulierend auf dieses vegetative Nervensystem ein. Stress ist ein Zustand der Übererregung des sympathischen Anteils, der zur Folge hat, dass der parasympathische Teil nicht adäquat zur Wirkung kommt. Das hat zur Folge, dass die Verdauung schlecht funktioniert, der Schlaf gestört ist und das Immunsystem eingeschränkt arbeitet, kurzum zu einem Zustand führt, den man als Stresssyndrom bezeichnet. Ist dagegen der Parasympathikus zu dominant, kann dies sich als Antriebsschwäche, Erschöpfung oder Depression äußern.
Im Idealfall führt eine craniosacrale Behandlung dazu, dass Menschen mit Stresssyndrom durch die Behandlung müde werden, weil der Körper endlich mal zur Ruhe kommt und Menschen mit Erschöpfungssyndrom fast von der Liege springen und das Gefühl haben Bäume ausreißen zu können.
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