Unser Gehirn hat zwei Hemisphären, die oberflächlich betrachtet fast spiegelbildlich sind, in ihren Funktionen jedoch große Unterschiede aufweisen.
Zu einer enthusiastischen Beschäftigung mit dem “geteilten Gehirn” kam es vor allem in den 1980er Jahren. Bereits in den 60ern hatte der Neurobiologe Roger Sperry bei Patienten die Verbindung zwischen rechtem und linkem Großhirn durchtrennt, mit der Idee dadurch die Ausbreitung epileptischer Anfälle zu begrenzen. Bei Experimenten mit diesen “split-brain”-Patienten stellte sich heraus, dass sie ein Objekt, das nur in der rechten Hemisphäre verarbeitet wird zwar mit der linken Hand, die vom rechten Gehirn gesteuert wird, greifen können, aber sie können es nicht benennen. Daraus folgerte man, dass das linke Gehirn für Sprache zuständig ist und begann weitere relativ vereinfachte Zuordnungen zum linken und rechten Gehirn zu machen.
Unter dem Einfluss der New Age Spiritualität interpretierte man die Funktionen der beiden Großhirnhälften ziemlich plakativ und vereinfachend. Die linke Hemisphäre, die vor allem mit der rechten Körperseite verbunden ist, galt als Hort der Mathematik, Logik und der Sprache. In der rechten Hemisphäre dagegen, die mit der linken Körperseite verbunden ist, tummelten sich Bilder, Kreativität und Emotionen. “Rechtshirnig” war toll, “Linkshirnig” beschränkt. Die Trivialisierung der Eigenschaften der beiden Hirnhälften ging so weit, dass z.B. Volvo Werbung machte für ein “Auto für die rechte Gehirnhälfte”, womit man auf eine kreative und unkonventionelle Käuferschaft abzielte.
Das hatte nun alles nicht mehr viel mit Wissenschaft zu tun und die Folge war, dass in den darauffolgenden Jahren dieses Thema wenig Aufmerksamkeit fand.
Wieder in den Blick der (englischsprachigen) Öffentlichkeit kam das “geteilte Gehirn” durch die bahnbrechenden Forschungen und Schriften des britischen Psychiaters Iain McGilchrist. Sein 2009 veröffentliches Hauptwerk “The master and his Emissary” ist leider bis heute genausowenig wie seine anderen Schriften ins Deutsche übersetzt.
McGilchrist verbindet das genaue Erforschen der unterschiedlichen hemisphärischen Funktionen mit kultur- und gesellschaftspolitischen Folgerungen. Er postuliert unterschiedliche Weltanschauungen der linken und rechten Hemisphäre und kommt zu der Schlussfolgerung, dass die Dominanz des linken Gehirns einen massiven Anteil an den Problemen unserer Welt hat.
McGilchrist grenzt sich gegen die trivialisierenden Interpretationen über die Gehirnhälften aus den 1980er Jahren ab. Und obwohl seine Forschungsergebnisse sehr differenziert und komplex sind, kommt er letztendlich doch zu ähnlichen Schlussfolgerungen wie die New Age bewegten Hippies: unsere Gesellschaft leidet unter der Dominanz des linken Gehirns. Das linke Gehirn tendiert zur Festschreibung von Fakten, während das rechte Gehirn die Welt im Fluss wahrnimmt.
Die entscheidende Hypothese über die Problematik der Linkshirndominanz ist: die rechte Hälfte “sieht” das Ganze und zwar weitgehend wertfrei, die linke Hälfte hat jedoch kein Interesse am Ganzen, weiß eigentlich nicht einmal was das sein soll, ihr Interesse ist darauf gerichtet zu manipulieren und zu kontrollieren.
Und natürlich brauchen wir um gut zu funktionieren – da tut sich ein Gegensatz zu den “Rechtshirnanhängern” früherer Jahre auf – beide Teile des Gehirns sowohl in sinnvoller Kooperation als auch in Arbeitsteilung.
Wie diese Kooperation zwischen rechter und linker Hemisphäre im einzelnen aussieht, darüber demnächst mehr.
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