Zwischen Osteopathen und Craniosacraltherapeuten kommt es vor allem beim Thema „Ganzheitlichkeit“ des Öfteren zu Missverständnissen. Von der Entwicklung der Therapieformen und von den Begriffen her ist dies durchaus verständlich und bedarf gerade deshalb einer Klarstellung.
Richtig ist, dass die craniosacrale Arbeit als erweiterte Arbeit am Nervensystem und seinen Umhüllungen entstanden ist als Teilaspekt der Osteopathie. Und der Standardvorwurf von Osteopathen, die sich nicht weiter mit diesem Thema beschäftigt haben, ist, dass craniosacrale Therapie nicht ganzheitlich sei, weil sie ja nur ein Teilgebiet des Organismus behandle, nämlich den Raum des zentralen Nervensystems, das sich zwischen dem Kreuzbein (Sacrum) und dem Schädel (Cranium) befindet, während die Osteopathie alle Aspekte des Körpers einschließe.
Es ist jedoch so, dass Therapieformen eigenen Entwicklungsdynamiken unterliegen und die craniosacrale Therapie hat sich in den letzten 20 Jahren in die verschiedensten Richtungen entwickelt und erweitert. Nun könnte man sagen, dass der Name „craniosacral“ dann gar nicht mehr die richtige Bezeichnung sei. Auf eine Art ist das richtig. Nur macht es keinen großen Sinn eine Therapieform umzubenennen, wenn sie erst einmal unter einem bestimmten Namen bekannt wurde. Und im Übrigen hat die Osteopathie dasselbe Problem. „Osteo“ heißt „auf Knochen bezogen“ und „pathie“ heißt „Leiden“. Und wer wollte die Osteopathie auf Knochenbehandlung reduzieren.
Die Unterschiede zwischen der Osteopathie und der Craniosacraltherapie liegen auf anderen Ebenen
Eine „klassische“ osteopathische Behandlung ist in der Regel eine Abfolge von Manipulationen, die den Blick auf dem funktionellen Zusammenhang des Bewegungsapparats hat. Der Klient verändert dabei mehrfach seine Position und befindet sich bewusstseinsmäßig im normalen Zustand. Ziel ist die Anregung der Selbstheilungskräfte durch Wiederherstellung eines physiologischen und funktionellen Gleichgewichts.
Eine craniosacrale Behandlung, so wie ich sie praktiziere und lehre, hat den Fokus mehr auf dem Kontakt, auf der achtsamen und sensiblen Berührungsqualität; der Klient bleibt meist die ganze Behandlung über in Rückenlage und erreicht während der Behandlung tiefe und meditative Entspannungszustände, in denen nachhaltige Lösungs- und Heilungsimpulse gesetzt werden.
Die Osteopathie versteht unter Ganzheitlichkeit in erster Linie körperlich-strukturelle Beziehungen innerhalb des Organismus. Der craniosacrale Ansatz hat den Blick darüber hinaus auf emotionalen, mentalen und spirituellen Aspekten des Seins.
Und natürlich gibt es craniosacrale Therapeuten, die mehr wie Osteopathen arbeiten und Osteopathen, die sich eher in der Beschreibung des craniosacralen Ansatzes wiederfinden. Letztendlich entscheidend ist wie ein Behandler seine Arbeit als Ausdruck seines individuellen Seins in die Welt bringt und welche Erfolge er damit erzielt, unabhängig davon ob er sich als Osteopath oder als Craniosacral-Praktizierender versteht.
Danke, daß Du es hier so wunderbar die generellen Unterschiede herausgearbeitet hast. Es kommt wohl v.a. auf die innere Haltung des Praktizierenden an und die erfahrenen, zusätzlichen Ebenen, die in seine Arbeit einfliessen.