Nachdem ich im ersten Teil die ambivalenten Erfahrungen meiner Teilnahme an dem Schmerztherapie-Seminar von Liebscher&Bracht beschrieben habe, möchte ich nun darüber berichten, wie diese Methode meine Behandlungspraxis verändert bzw. ergänzt hat.
Eine Erkenntnis aus diesem Seminar war, wie wichtig tägliche Übungen für Patienten sein können. Bisher habe ich immer darauf vertraut, dass meine Behandlungen schon ihre Wirkung tun und ich habe dazu in all den Jahren, in denen ich schon praktiziere, viele positive Rückmeldungen erhalten. Durch die Konzepte von Liebscher&Bracht ist mir aber klar geworden, dass tägliche Übungen auch die Ergebnisse meiner Behandlungen mit Sicherheit stabilisieren und nachhaltiger machen können.
Noch bin ich nicht ganz so weit, dass ich jedem Patienten Übungen mitgebe, aber ich bin dabei, für die häufigsten Schmerzzustände Übungsblätter zu erarbeiten, die ich den Patienten erkläre und mitgebe. Unser Nervensystem ja so aufgebaut, dass es vor allem durch Wiederholung lernt. Wiederholung schafft neue neuronale Bahnen, die einen positiven Zustand stabilisieren helfen.
Ursprünglich hatte ich gedacht, dass ich bei Schmerzpatienten die von Liebscher&Bracht vorgegebenen Osteopressur-Punkte behandle, bevor ich dann zur Integration auf die Ebene der craniosacralen Behandlung übergehe.
Zur Art meiner Behandlung muss ich vorausschicken, dass ich in der Regel keine große Vordiagnostik vornehme. Ich mache meist in der ersten Sitzung eine Anamnese und lasse mich dann von den Informationen leiten, die sich im Prozess des Behandelns ergeben. Ich persönlich glaube nämlich, dass unser Verstand eine große Neigung hat Ursache-Wirkungs-Zusammenhänge zu (er)finden. Nur dadurch ist erklärbar, dass manche Menschen von verschiedenen Behandlern verschiedene Diagnosen erhalten. Das heißt nicht unbedingt, dass die Diagnosen falsch sind, es heißt vielmehr, dass der Blickwinkel des Behandlers eingeschränkt ist. Und so neige ich mehr dazu, mir anzuhören was das Problem ist und dann auf meine Hände zu vertrauen. Und so verließ mich nach einigen Versuchen die Lust Osteopressur-Punkte nach einem bestimmten Schema zu behandeln.
Danach machte ich eine spannende Entdeckung: wenn ich diese Punkte nicht nach Schema F behandle, sondern dann, wenn ich die Information über meine Hände bekomme, dass dieser oder jener Punkt in Kontakt genommen werden will, arbeitete ich mit ihm. Das bezieht sich nicht nur auf die Osteopressur-Punkte, sondern auch auf andere Punkte, die unter meiner Hand reagieren.
Diese Arbeit mit Druckpunkten lässt sich wunderbar und effektiv in meinen Behandlungsablauf einbauen. Dabei drücke ich nicht einfach einen Punkt, sondern mache einen einfühlsamen und langsamen Druckaufbau und halte diesen Druck, bis ich eine massive Spannungslösung in diesem Bereich wahrnehme. Dann löse ich den aufgebauten Druck auch wieder ganz langsam. Durch den behutsamen Aufbau von Druck entsteht beim Patienten kein unangenehmer Schmerz.
Die Kombination einer craniosacralen Behandlung mit Druckpunkten ist insofern ungewöhnlich, als dass in der „Cranio-Szene“ direkte Techniken und die Arbeit mit Druck eher verpönt sind. Man arbeitet vorwiegend mit indirekten Techniken und mit neutralem Kontakt. Aber nach mehr als 25 Jahren Praxis erscheint es mir sinnvoll diese Beschränkung aufzuheben. Und ich bin froh, dass sich mein therapeutischer Werkzeugkoffer wieder einmal erweitert hat.
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